Benzing wie in Benzingeld

Veröffentlicht am 10. Juni 2025 um 15:14

Wie versprochen gehen wir aus den oberen Etagen der Geschäftsstelle jetzt auf’s Parkett.

Dort hatte Frenki im Schatten der großen Geschäftsführer-Debatte – wie er selbst später sagte – die talentierteste Gießener Mannschaft seiner mittelhessischen Ära zusammengestellt. Auf den deutschen Positionen gab es keine Überraschungen. Benzing, Figge, Maier und Nyama waren mit Zwei-Jahres-Verträgen – im Basketball kann man das wohl als langfristig bezeichnen – ausgestattet worden. Nachwuchsspieler Till Heyne blieb dem Altmeister ebenfalls erhalten, durfte sich aber wie in der vorangegangen Saison nur in der unbeliebten Garbage Time beweisen. In ähnlicher Rolle fand sich Debütant Kai Müsse – als “Jugendspieler im Körper eines Mannes” vom Headcoach klassifiziert – ein.

Zunächst einziger heimischer Neuzugang des Sommers war somit Rückkehrer Viktor Ziring, von dessen Rolle sich aber im Nachgang wohl beide Seiten mehr versprochen hatten.

Auf der Importseite war die sonnige Jahreszeit da schon spektakulärer. Mit Kyle Castlin kam ein erfahrener Pro A-Spieler für die Positionen 2 & 3.

Letztes Jahr noch im blauen Trikot des Lokalrivalen ausgepfiffen und nun Hoffnungsträger im roten Jersey – die Überschriften rund um den Transfer von Aiden Warnholtz bedienten sich an diesen Termini. Der eher zurückhaltende, aber sympathische Kanadier hatte dem Team aus der Bankenmetropole noch mit Crunch-Time-Dreiern gegen Trier zum Bundesligaaufstieg verholfen. Umso verwunderter waren die Beobachter, dass Denis Wucherer den Weitschussspezialisten für seinen BBL-Kader nicht mehr berücksichtigte. In Fan- und Ligakreisen – ich gebe zu: in denen ich mich auch bewegte – wurde gar vom möglichen Transfersteal der Saison gesprochen. Wir werden im Verlaufe des Rückblicks noch näher darauf eingehen, inwiefern sich diese These verifizieren oder auch falsifizieren lässt.

Und dann blieben noch die traditionellen Imports vom Balkan. Man kann von dem Trainer-Duo Frenki & Nicola – letzterer wird eigentlich nur „Johnny“ genannt – halten, was man möchte – das Händchen für osteuropäische Spieler wird ihnen aber niemand absprechen, hatte man in den letzten beiden Jahren mit Stefan Fundic doch einen der oder vielleicht gar den besten Power Forward der Liga in der Mannschaft. Auch der Kroate Karlo Miksic sowie der Montenegriner Igor Cvorovic erwiesen sich in den vorangegangen Spielzeiten als zuverlässige und fannahe Profis.

Der Slowake Simon Krajcovic verlängerte vor der Saison seinen Arbeitsvertrag um eine weitere Spielzeit. Der Modellathlet und Floor General sollte in den nachfolgenden Monaten eine noch wichtigere Rolle als bereits in der Vorsaison einnehmen. Auch das werden wir logischerweise noch vertiefen.

Neu in Mittelhessen waren nun auf den Positionen 4 & 5 also die beiden Serben Mladen Vujic und Viktor Kovacevic, wobei Letzterer sich schnell Freunde in der Osthalle machte – insbesondere bei den Anhängern, die in der Vorsaison noch das Jersey seines Namensvetters Dejan erworben hatten.

Ein Basketballteam ist wie ein Cocktail. Es besteht aus vielen Komponenten – ist eine jedoch zu stark oder zu niedrig dosiert, schmeckt es nicht mehr. Im Worst-Case bekommt man davon sogar Kopfschmerzen.

Und so startete man in die Saison – wir lassen die Testspiele aufgrund von überschaubarer Relevanz außen vor – mit einem Pokalspiel gegen den späteren Sieger des Wettbewerbs. Das war zur Überraschung vieler das Team vom MBC aus Weißenfels. Viele Gießener verließen an diesem Abend die Halle mit einem Gefühl als hätte man zu viele der eingangs erwähnten schlechten Getränke zu sich genommen.

Dabei störte weniger das Ergebnis, obwohl die Schlappe mit 79:103 deutlich ausfiel. Dass man die Vorjahressensation nicht wiederholen könnte, dürfte bis auf die Hardcore-Optimisten niemandem sauer aufgestoßen sein. Anders als die spärlich besetzte Osthalle. Das Bild auf den Rängen kannte man ansonsten höchstens aus einem Bundesliga-Auswärtsblock, in dem Red Bull Leipzig gastiert. 1.832 zahlende Gäste fanden sich zu diesem besonderen Spiel ein. Eine Zahl, die die Universitätsstädter im offiziellen Pressespielbericht (absichtlich?) verschwiegen und die man daher am besten auf der Homepage der BBL recherchiert. Man musste konstatieren: Der Schwung aus der Vorsaison, die man als 2. der regulären Saison beendete, war durch den umtriebigen Sommer mit sehr zurückhaltender Kommunikation restlos verpufft. Es fühlte sich wie das Schulkonzert in der 4. Klasse an, zu dem niemand aus deiner Familie kommen wollte.

Ähnliche viele schiefe Töne wie bei besagter Musikaufführung gab es dann auch in der ersten Pro-A-Partie. Zugast bei Frenkis Ex-Club in Kirchheim fehlte nur noch ein Freiwurf zur 20-Punkte-Klatsche.

Als man im ersten Ligaheimspiel gegen die PS Karlsruhe Lions – die Auslosung muss der Basketballgott persönlich angesetzt haben – auch noch zwischenzeitlich mit 17 Punkten hinten lag, schien die Saison schon vorbei, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte. Doch ähnlich wie in Spiel 4 der in Teil eins detailreich beschriebenen Playoffserie gegen die Löwen drehte der Männerturnverein die Partie – wenn auch eher durch Willen als durch schönen Basketball. 66:64 hieß es am Ende in einer Begegnung zweier Mannschaften, die noch in ihren Rhythmus hineinfinden mussten. Man war noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen.

Mit blauem Sprunggelenk hingegen kam Aiden Warnholtz aus der Partie, der den Arbeitssieg teuer bezahlen musste und in Folge der hier erlittenen Verletzung mehrere Monate ausfiel. Nur wenige Tage nach Bekanntgabe verpflichtete man mit Kevin McClain den nächsten Ex-Frankfurter mit ausdrücklichem Dank an Christiane Roth (Zitat aus der Pressemeldung), der unschwer zu erkennen die Überschrift aus dem ersten Teil unserer Rückschau gewidmet war. Neben Qualität im Dribbling, Drive und Distanzwurf war die Staatsbürgerschaft des Deutsch-Amerikaners sicherlich ebenfalls ein Schlüsselfaktor für diesen Transfer.

Spätestens in der Folgewoche, als man zu Gast in Münster den letzten Angriff nicht erfolgreich abschließen und sich daher mit einer knappen 91:90-Niederlage begnügen konnte, waren auch die letzten Kritiker wieder wach, die sich nach dem großen Turnaround gegen Karlsruhe noch beruhigen ließen.

Als hätte der Allmächtige des orangenen Leders – welcher Religion man auch angehören mag – immer noch das rot-weiße Trikot des Altmeisters am Leib, folgten drei Paarungen gegen vermeintlich schwächere Gegner aus den unteren Tabellengefilden, die man alle ungefährdet für sich entscheiden (98:74 gegen Bayreuth, 51:102 in Düsseldorf & 87:73 gegen Vechta II) und damit das Tabellenbild aufhübschen konnte.

Lustigerweise ging es beim erstmals in dieser Form anberaumten Fantreffen im Oktober kaum um die genannten Ergebnisse. Der Verein hatte in das wiedereröffnete Bistro unter der Tribüne geladen und seine treuen Anhänger folgten. Schwer zu schätzen; aber es dürften rund 50 – 80 Personen dieser Einladung gefolgt sein, um mit Guido & Frenki – aber auch untereinander - über die aktuellen Entwicklungen zu diskutieren.

Dass die Gäste kostenlos mit Getränken (viele entschieden sich wenig überraschend für ein frisch gezapftes Licher) und Brezeln versorgt wurden, dürfte die Stimmung leicht in eine positive Richtung gelenkt haben. Und so durfte herzlich gefragt und philosophiert werden. Klar, Wechsel in der Geschäftsleitung und bei den Gesellschaftern – was war da los? Wann gibt es neue Infos zur Stehtribüne? Und wann steigen wir bitte wieder in die BBL auf? Zu diesen und ähnlichen Fanbedürfnissen bezogen Guido und Frenki – zweiterer in seiner herrlich ausladenden, aber auch knallhart ehrlichen Art und Weise – Stellung. Es wurde kritisiert, das war auch ausdrücklich erlaubt. Dennoch war die Atmosphäre immer konstruktiv. Dass die Verantwortlichen auch den ein oder anderen Fehler offen einräumten, empfanden viele Zuhörer inklusive mir als sympathisch und bodenständig. Eine gute Idee und ein Format, das man so oder so ähnlich gerne wieder organisieren darf.

Hieraus entstand übrigens auch die Idee, ein öffentliches Training von Zeit zu Zeit stattfinden zu lassen. Diese wurde zeitnah vor der Partie in Crailsheim umgesetzt. Die Wirkung war durchaus beachtlich, konnte man (infolge dessen?) die Punkte vom Bundesligaabsteiger überraschenderweise entführen.

Im November kam es zu einem weiteren Novum im Karl-Reuter-Weg. Unsere Freunde vom Pro A-Podcast „Erstklassig Zweitklassig“ veranstalteten eine Live-Aufnahme mit Kapitän Robin Benzing in der VIP-Lounge. Hier konnten Interessierte kostenlos (!) zuschauen & -hören. Eine tolle Veranstaltung, von der alle Beteiligten im Nachgang nur positives Feedback verlauten ließen.

Eine Anmerkung des Autors: Ihr kennt den Podcast doch eh alle, oder ? Und falls nein… was ist mit euch los? Dann dringend einschalten, um auf humorvolle aber auch informative Art und Weise keine Themen der Pro A mehr zu verpassen!

Ums Jahresende hin bekam man schließlich die Kurve ohne wirklich zu glänzen. Es folgten starke Auftritte wie in Crailsheim oder bei den zu diesem Zeitpunkt Seriensiegern aus Bochum. Man enttäuschte jedoch zum Beispiel in Tübingen und bekam gegen die späteren Aufsteiger aus Jena und Trier seine Grenzen aufgezeigt.

Letztlich konstatieren wir, dass der Geschäftsführerwechsel viel Wind aus den Segeln der Vorjahre genommen hat. Wir hatten in Teil eins ausgiebig hierüber philosophiert. Dass diese Position nicht geräuschlos neu besetzt werden kann, dürfte jedem Pragmatiker klar sein, jedoch waren vor allem die lange schwachen Zuschauerzahlen sicherlich ein Resultat der unzufriedenen Fans. Sportlich fehlten dem Team zwei bis drei Wochen in der Vorbereitung durch Verletzungen und auch der lange Ausfall vom kanadischen Scharfschützen sind gute Argumente, den teilweise holprigen Start zumindest teilweise in Schutz zu nehmen. Am Ende einfach schade, dass das Feuer der „Osthölle“ über den Sommer erloschen war und mühevoll neu entfacht werden musste. Zwei bis drei Ausrutscher darf man einem Playoff- (und ich sage bewusst nicht Aufstiegs-) Aspiranten wie den 46ers im Rahmen der Teamfindung jedoch gewähren ohne nervös zu werden.

 

In Teil drei wollen wir uns mit der Auswärtsfahrt nach Hagen befassen, bei der das Sportliche leider zur Nebensache wurde. Auch der oft besuchte Standort Bremerhaven (um die Überschrift zu rechtfertigen) wird Schwerpunkt sein und bestimmt finden wir auch irgendwo noch was zum Thema Basketball.

 

Eines Tages wird gescheh’n und dann fahren wir nach Hagen, um den MTV zu seh’n

- Der beliebte Gesang aus der Abstiegssaison sollte sich bewahrheiten

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